„Was kümmert mich der Schiffbruch der Welt.
Ich weiß von nichts als meiner sel’gen Insel“.

Das sagte Friedrich Hölderlin sehr ironisch.

7 Jahre Schutzsuchende in Hattenhofen

Ehrlich: War es wirklich eine Katastrophe, dass seit sechs Jahren Flüchtlinge zum Ortsbild von Hattenhofen gehören? Wie oft wurde ich angesprochen auf den netten dunkelhäutigen Radler, auf den schnellen Zeitungsausträger, auf den Auszubildenden in Bauarbeiter-Kluft. Wie viel erfuhren wir über ihre Hoffnungen und ihre unvorstellbaren Ängste, in die Gewalt ihrer afghanischen, somalischen, nigerianischen, togolesischen Heimat abgeschoben zu werden.

Nur um schnell mal an unser Geld zu kommen, dafür hat niemand diesen entsetzlichen, monate- bis jahrelangen Weg hierher auf sich genommen! Lassen Sie sich einmal erzählen, wie es in libyschen Steinbrüchen und Lagern zugeht! (Oder lieber nicht, falls Sie ruhig schlafen wollen.) Wieviel Herzlichkeit und Wärme bringen diese Menschen in unsere kühle, distanzierte Welt hier.

(Stand Mai 2022)

Die ersten unkrainischen Flüchtlinge sind angekommen

Seit 2015 haben Schutzsuchende aus dem Kosovo, aus Afghanistan, Syrien, Somalia, Nigeria, Togo,  Sri Lanka und China in der Gemeinschaftsunterkunft hier im Dorf Schutz und Begleitung gefunden. Einige aus dem Kosovo mussten zurückkehren, wenige tauchten unter, andere wurden in weitere Unterkünfte im Kreis verlegt oder fanden privat eine Wohnung.

Nach dem Beginn des Krieges kamen nun auch die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine in Privatwohnungen an. Bei unserem Friedensgebet hielt gleich die 16-jährige sprachgewandte Tochter eine kleine Rede- auf Deutsch.

Aus unseren Überlegungen, die Arbeit auslaufen zu lassen, wurde also nichts. R. engagiert sich in der Sprachhilfe, und eine neue Mitarbeiterin konnte dafür gewonnen werden. Weitere neue Kräfte sind herzlich willkommen!

Von der Gemeinschaftsunterkunft zur Anschlussunterbringung

Seit 2019 wurde aus der Gemeinschaftsunterkunft eine Anschlussunterbringung für Flüchtende, die schon mehr als zwei Jahre hier sind, aber keine Privatwohnung auf dem prekären Wohnungsmarkt bekommen konnten.

Jetzt, im Mai 2022, leben hier:

  • Eine sehr gebildete afghanische Familie die Frau war Lehrerin für Mathematik und Physik und hatte dort auch Lehrerinnen- und Lehrer! – ausgebildet. Sie strotzt vor Energie und kann jetzt vormittags einen weiteren Deutschkurs machen, ihr Mann nachmittags, damit die drei Kinder mit 3, mit 5 und 13 Jahren versorgt werden können.
  • Ganz neu eine weitere afghanische Familie mit vier Kindern.
  • H. aus Afghanistan hat nun das Zimmer, in dem sie zu Beginn zu 6. in 3 Doppelstockbetten gelebt hatten. So kann er den Boller Badhof zur Arbeit gut erreichen.
  • Eine iranische Familie mit zwei sehr lernbegierigen jugendlichen Söhnen.
  • S. aus Sri Lanka, die begeisterte Christin ist und an der Akademie Bad Boll Arbeit gefunden hat.
  • Auch eine von Obdachlosigkeit bedrohte Familie wohnt hier die Gemeinde musste sie unterbringen.
  • Eine 2-Zimmer-Wohnung wird gerade renoviert.

Freundeskreis Asyl Hattenhofen

Wir Bürgerinnen und Bürger wissen vom Schiffbruch dieser Welt und nehmen unsere christlich-humanitäre Verantwortung, die sich in der Genfer Flüchtlingskonvention ausdrückt, wahr.

Hattenhofen hat seine Kraft nach dem 2. Weltkrieg bewiesen, als 836 Hattenhöfer 537 Heimatvertriebene aufnehmen mussten. Das war ein heute unvorstellbarer Kraftakt, aber er ist gelungen.

Hattenhofen hat in den 70er-Jahren Neubaugebiete geschaffen und Menschen aus vielen unterschiedlichen Regionen Deutschlands und der EU eingegliedert (1974 waren es ca 700 Neubürger).

Und seit Januar 2015 suchen Menschen bei uns Schutz vor Armut, Krieg und Gewalt. Auch das bewältigt die engagierte Dorfgemeinschaft.

Die Menschen in Hattenhofen haben sich schon immer herausfordern, aber dadurch auch bereichern lassen. Es wird viel diskutiert und ausgehandelt, ausprobiert und verbessert.

Dieser lebendige Prozess dauert an, auch in der Anschluss-Unterbringung.